Kick für die Bilanz

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Marcel Cordes, Managing Partner von SPORTHEADS, gibt im W&V-Artikel „Kick für die Bilanz“ Einblicke in den Status Quo der virtuellen Bandenwerbung.

Text: Lisa Priller-Gebhardt | veröffentlicht WuV Printausgabe 01/2020  

Seit der letzten Saison dürfen die Bundesligisten auch virtuelle Bandenwerbung einsetzen und in Ländern wie China, Japan oder Regionen Südamerikas zielgruppenspezifische Werbung einblenden. Das eröffnet Vereinen neue Vermarktungspotenziale, die es zu heben gilt.

Die Fußballbundesliga erfreut sich nicht nur in Deutschland größter Beliebtheit, die Fangemeinde erstreckt sich weit über die Landesgrenzen hinaus. Die Spiele der 18 Klubs erreichen weltweit eine Milliarde Haushalte. In China steht die Bundesliga im Fan-Ranking seit Jahren sogar an der Spitze. Da ist es für Vereine und Marken nur naheliegend, Zuschauer auch in fernen Ländern gezielt anzusprechen. Den Startschuss dazu hat die Deutsche Fußball-Liga (DFL) mit der Saison 2018/19 gegeben und virtuelle Bandenwerbung zugelassen. Ein Fan, der sich ein Fußballspiel von Borussia Dortmund im heimischen Wolfenbüttel anschaut, sieht zwar die gleichen Spieler über das Feld dribbeln wie der Zuschauer im chinesischen Shenzen, doch die Bandenwerbung im Hintergrund ist eine völlig andere. Damit das funktioniert, braucht es ein spezielles LED-Bandensystem. Dieses gibt ein Infrarotlicht aus, das für das Auge unsichtbar ist und von der Kamera erkannt und ausgelesen wird. Mithilfe der so gewonnenen Daten werden die Bandenflächen mit anderen Werbebotschaften im TV-Signal überblendet.

Doch insgesamt kommt das Geschäft mit der virtuellen Bandenwerbung nur langsam voran, obwohl es den Vereinen ganz neue Vermarktungspotenziale eröffnen würde. „Gerade für Top-Events im globalen Sport, die Anhänger in vielen Märkte gleichermaßen begeistern, liegt der Mehrwert durch die Ausspielung verschiedener internationaler Feeds auf der Hand“, sagt Marcel Cordes, Managing Partner der Strategieberatung Sportheads. Bislang hat die DFL nur einen einzigen Technologieanbieter zugelassen: Supponor.

Bei allen anderen läuft die Übertragung noch nicht störungsfrei. Es gibt nämlich sechs technische Hürden, die jeder Anbieter meistern muss, ehe es grünes Licht von der DFL gibt. „Eine Herausforderung ist sicherlich das sogenannte Keying, also das Ausschneiden der Objekte vor der Bande“, sagt Steffen Merkel, Leiter Unternehmensstrategie der DFL. Wenn die Bande mit der virtuellen Werbung überblendet wird, dürfen nicht plötzlich zum Beispiel Körperteile eines Spielers mit überblendet werden.

Das Unternehmen Supponor, das in Deutschland mit Lagardère Sports kooperiert, schafft die Übertragungen fehlerfrei. Andere Technologieanbieter stehen schon bereit und wollen auch loslegen: Zu den Dienstleistern, die derzeit noch auf eine baldige Freigabe hoffen, zählen AIM Sport und der Infront-Partner Vizrt. AIM kooperiert bei der Entwicklung der Technologie mit dem FC Bayern München. Der Klub hat bereits einige Vortests in der Bundesliga mit AIM durchgeführt. Der Infront-Partner Vizrt hat einige Testspiele mit dem FC Schalke 04 umgesetzt. Auch hier steht noch die Freigabe aus. „Wir sehen bei einigen Anbietern in den Tests kontinuierliche Fortschritte, aber es lässt sich nicht genau prognostizieren, wann die Zulassung weiterer Anbieter erfolgt“, sagt Merkel.

Aktuell ist Borussia Dortmund bis auf Weiteres noch der einzige Bundesligist, der für alle Heimspiele virtuelle Bandenwerbung im Regelbetrieb nutzt. Dafür wurde im Stadion „Signal Iduna Park“ ein LED-Bandensystem von
240 Metern Länge eingebaut. „Viele Wettbewerber kämpfen noch mit der technischen Qualität“, sagt BVB-Chef Carsten Cramer. „Wir sind mit unserer sehr zufrieden. Sie läuft stabil und auf hohem Niveau.“ Der Vertrag mit Lagardère Sports wurde bis 2026 verlängert.

Nicht nur der BVB, auch die anderen Bundesligisten wittern ein lohnendes Geschäft. „Die massive Steigerung des vermarktbaren Inventars und auch die Adaption bestehender Partner auf Sprache und Botschaften des jeweiligen Zielmarkts können die Vermarktungseinnahmen erheblich steigern und Streuverluste minimieren“, sagt Cordes. „Mittelfristig lassen sich auf diesem Weg die Sponsoringeinnahmen schätzungsweise um 25 bis 30 Prozent steigern“, prognostiziert der Spezialist. Nielsen Sport schätzt das Vermarktungsvolumen für die 18 Bundesligaklubs auf über 60 Millionen Euro. Es ist also noch einiges an Potenzial zu heben. Aktuell wird pro Wochenende bei ein bis zwei Spielen virtuelle Bandenwerbung eingesetzt. Das macht laut DFL-Manager Merkel rund 10 bis 15 Prozent aller Spiele einer Saison aus.

Dass die internationale Vermarktung für den Bundesligisten BVB so gut läuft, liegt auch daran, dass er international hohe Beliebtheit genießt. Ohne die Fans im Ausland wäre Werbung in den internationalen Märkten für Unternehmen kaum lohnend. „Nur wenige Klubs und Spielpaarungen der Bundesliga bringen auch international gute Reichweiten, die sich zu guten Preisen an Partner vermarkten lassen“, sagt Experte Cordes. Der Vorteil für die Sponsoren liegt auf der Hand: „Wenig Streuverluste beim Ansteuern von strategischen Zielmärkten über Sponsoringbotschaften. Und dies auf dem emotional aufgeladenen Vehikel Bundesliga“, sagt Cordes.

Doch nicht nur für Sponsoren, auch für die Klubs soll die Rechnung aufgehen. Das ist gar nicht so einfach, denn die Anschaffungskosten für die Technik sowie die Vermarktungs- und Lizenzgebühren sind hoch. „Diese Gelder müssen erst einmal zurückverdient werden“, gibt Cordes zu bedenken. Schätzungen zufolge sollen sich die Kosten pro Spieltag auf rund 100 000 Euro belaufen.

Gleichzeitig ist diese moderne Kommunikationslösung ein erklärungsbedürftiges Produkt. Doch hier haben die Vermarktungsspezialisten des BVB offenbar einiges richtig gemacht. „50 Prozent unserer großen Partner – Unternehmen wie Evonik, Puma und Wilo – haben zusätzlich virtuelle Bandenwerbung gebucht“, sagt Cramer.

Für den BVB hat sich die neue Technologie bereits ausgezahlt. Während der Klub-Geschäftsführer in der Spielsaison 2018/19 einen niedrigen Millionenbetrag anführte, ist der Ausblick für die laufende Saison noch erfreulicher. „Wir sprechen über einen mittleren siebenstelligen Betrag“, so Cramers Zwischenfazit. Er sieht für die internationalen Vermarktungsaktivitäten große Entwicklungschancen. Sein erklärtes Ziel: „Kontinuierliches Wachstum.“

DAS VERMARKTUNGSGESCHÄFT MIT ASIEN BRUMMT

Der Geschäftsführer würde sich aber gleichzeitig wünschen, dass die ausländischen Medienpartner der Bundesliga besser mitspielen. Sie legen die Sendepläne meist recht kurzfristig vor einem Spiel fest, was die Planbarkeit und die Vermarktung unnötig erschwert. Ein Problem, das der DFL bekannt ist, für das aktuell aber noch keine befriedigende Lösung in Sicht ist.

Der BVB bietet Werbeflächen nicht nur im deutschsprachigen Raum an, sondern auch in Nord- und Südamerika, Nordasien inklusive China, Südostasien inklusive Japan sowie im Nahen Osten, in Afrika und Europa. Wobei Chinesen die größten Fans sind. „Den größten Erfolg haben wir aktuell in Asien“, sagt Carsten Cramer, der neben der Bandenwerbung im Stadion die Fläche vier weitere Male verkauft. „Es ist letztlich vom individuellen Spielverlauf abhängig, wie viel Spielzeit zusätzlich vermarktet werden kann. Aber ein ungefährer Richtwert ist 70 Prozent“, erklärt Merkel. Das wären beim BVB dann 315 Minuten pro Spiel. Doch auch hier ist das Potenzial längst noch nicht ausgeschöpft. „Die freien Flächen nutzen wir für Eigenwerbung“, sagt Cramer. Teilweise räumt der BVB seinen großen Bestandspartnern zudem mehr Raum ein, als vertraglich vereinbart.

Auch der VfL Wolfsburg hat das Thema konkret im Blick und dafür einen anderen Weg gewählt: Er setzt seit der Saison 2017/18 auf eine Partnerschaft mit Infront und nutzt das bestehende internationale Signal. Eine Zweifachproduktion der Partien macht also eine doppelte Vermarktung möglich. „Unsere Werbepartner haben die Möglichkeit, mit anderen Botschaften, sei es in anderer Sprache oder mit anderen Produkten, international zu werben“, sagt Steffen Grupp, Leiter Sponsoring/Vertrieb beim VfL. Ziel der Partnerschaft mit Infront ist die Einführung zur kommenden Saison. Ob es klappt, wird sich im kommenden Frühjahr weisen. „Wir sind natürlich durch die Vertragsgestaltung mit unseren Partnern darauf vorbereitet, mehrere Regionen einzeln vermarkten zu können“, sagt Grupp. Auch dem Verein Fortuna Düsseldorf könnte virtuelle Werbung ein interessantes Zusatzgeschäft vor allem in Asien einbringen. Der Klub hat einige Sponsoren aus Japan im Portfolio, darunter den Reifenhersteller Toyo Tires, der seit 2015 Partner der Fortuna ist und seinen Vertrag mit dem Verein vorzeitig bis 2022 verlängert hat.

Während die einen noch mit der Technik kämpfen und auf den entscheidenden Durchbruch warten, um virtuelle Werbung in der Bundesliga anbieten zu können, denkt Carsten Cramer bereits weiter. Der BVB-Manager würde gern die nächste Evolutionsstufe im Bereich virtuelle Bandenwerbung zünden: „Angesichts der jetzt schon hohen Qualität muss es das Ziel sein, Märkte noch individueller anzusteuern“, sagt der Geschäftsführer. Ähnlich wie im Bereich der Entwicklung von Smartphones und Tablets. „Wir müssen noch nutzerorientierter passgenaue Lösungen liefern können.“