Das Magazin SPONSORs veröffentlichte eine Analyse, nach der 30 Sponsoringverträge im Gesamtwert von 29 Mio. Euro der 144 bedeutendsten Sponsoring Partnerschaften der 36 DFL Clubs zu Saisonende auslaufen. In wie weit sich Abschlüsse weiter verzögern, Rechtesummen reduzieren oder gar Werbeflächen frei bleiben ist derzeit nur schwer zu prognostizieren.
Neben dem Blick in eine ungewisse Zukunft sind bestehende Verträge mit Partnern und Sponsoren aufgrund der Krise im besonderen Fokus. So sehr wir alle hoffen, dass die gesundheitlichen Folgen dieses Virus` überschaubar bleiben – wirtschaftlich sind sie schon jetzt gewaltig.
Umso wichtiger ist es, dass Unternehmen auch im Rechtsverkehr mit Augenmaß agieren, ihre Handlungsoptionen kennen und auf optionale Szenarien bestmöglich vorbereitet sind.
Es gilt bei der Bewertung der Handlungsoptionen die Sondersituation im Sponsoring zu beachten: würde im normalen Werbegeschäft bei z.B. Abschaltung der werblichen Plattform auch keine monetäre Vergütung mehr geleistet werden, so sind authentische Kooperationen zwischen Sponsor und Club im besonderen Maße durch eine Partnerschaft „durch dick und dünn“ gekennzeichnet. Betrachtet man den Shitstorm und Imageschaden, den der Sportartikelhersteller adidas durch die Aussetzung seiner Mietzahlungen auslöste, ist vorstellbar, wie ein Fan unbedachte Reaktionen eines Sponsors seines Lieblingsclubs goutieren würde. Aber auch dieser „Intangible Value“ muss sich letztlich an Controlling und Compliance des sponsoringtreibenden Unternehmens messen lassen.
In diesem Kontext stellen besonders die mit Rechtehalter bestehenden Sponsoringverträge aufgrund des meist recht komplexen Bündels aus werblichen/medialen Rechten, Tickets, Logen, Markenrechten und Persönlichkeitsrechten eine besondere Herausforderung dar. Zwei Gesichtspunkte seien im Folgenden näher erläutert, die rechtliche Beurteilung und die Bewertung der Minderleistung bzw. des Schadens.
Rechtsanwalt Guido Kambli, Leiter der Sportrecht-Crew der BAY GmbH Wirtschaftsprüfungs- und Rechtsanwaltsgesellschaft aus München führt hierzu aus:
1. Ausgangssituation – Coronakrise
Nach aktuellem Stand soll es in der Bundesliga und 2. Bundesliga ab Ende Mai „Geisterspiele“ geben – ohne Publikum, aber im Fernsehen und online ausgestrahlt. Im schlechtesten Fall werden die noch ausstehenden Spieltage von der DFL abgesagt, die Saison endet vorzeitig. Prinzipiell gilt auch in Krisenzeiten der Grundsatz „pacta sunt servanda“ – Verträge sind einzuhalten: Die Fußballvereine bzw. Fußball-Kapitalgesellschaften (nachfolgend zusammen „Vereine“ oder „Clubs“) müssen die vertraglich vereinbarten Werbeleistungen vollständig erbringen, die Sponsoren die zugesagte Vergütung komplett bezahlen – wenn nicht, drohen u.U. Vertragskündigung, Zahlungskürzungen oder Schadensersatz, es sei denn, es greifen anders lautende Vertragsklauseln oder gesetzliche Regelungen bzw. die überwiegend von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze der „höheren Gewalt“ (force majeure).
2. Szenario Geisterspiele
Kommt es, was sehr wahrscheinlich ist, zu den „Geisterspielen“, sind beide Vertragspartner, bis zu ihrer Durchführung, nach § 275 BGB von der Pflicht zur Leistungserbringung befreit (da ein Fall der vorübergehenden Unmöglichkeit vorliegt und die Werbeleistungen regelmäßig keine fristgebundenen „Fixgeschäfte“ darstellen). Sobald die Spiele stattfinden, können die Vereine ihre vertraglichen Verpflichtungen (zeitlich versetzt) teilweise oder ganz erfüllen und insbesondere die medienrelevanten Leistungen wie z.B. Werbung auf dem Trikot, Bandenwerbung, Sponsorenlogos auf den Interviewwänden, partielle Nutzung vereinsgeborener Rechte oder online-Präsenz des Sponsors, erbringen. Andere Leistungen, die direkt mit der Veranstaltung und dem Stadion zusammenhängen, wie Zurverfügungstellung von Business-Seats, Erbringung von Hospitality-Maßnahmen oder Abdruck der Sponsorenlogos auf den Zuschauer-Tages-Tickets, fallen aus. In einer solchen Konstellation muss der Sponsor die Leistungen bezahlen, die erbracht werden. Lediglich bezüglich der nicht erbrachten Maßnahmen kann er seine Zahlungen angemessen kürzen oder anteilig vom Verein zurückverlangen – wenn sich die Vertragsparteien nicht vorher gemeinsam auf eine Vertragsanpassung im Sinne von § 313 BGB einigen. Schadensersatzansprüche des Sponsors scheiden regelmäßig aus, da die Clubs den Ausschluss der Zuschauer nicht zu vertreten haben. Etwas anderes gilt allenfalls dann, wenn der Sponsoringvertrag Garantien oder sog. Force-Majeure-Klauseln enthält, die dem Sponsor den Weg Richtung Schadensersatz eröffnen.
3. Szenario Saison-Abbruch
Kommt es, was nach derzeitigen Erkenntnissen äußerst unwahrscheinlich ist, zu einem Saisonabbruch, fallen die restlichen Spiele aus. Aus der vorübergehenden wird eine dauerhafte Unmöglichkeit, zumindest was die Umsetzung der medienrelevanten, spieltag- und stadionbezogenen Rechte bzw. Leistungen betrifft. Rechtsfolge ist, dass die Fußballvereine von ihrer Pflicht zur Erbringung solcher noch ausstehenden Werbemaßnahmen gemäß § 275 BGB befreit werden, da weder sie noch ein Dritter die Leistung erbringen können. Der Sponsor ist im Gegenzug nach § 326 BGB nicht mehr verpflichtet, seine ausstehende Vergütung zu entrichten, darüber hinaus kann er bereits erbrachte Zahlungen eventuell anteilig zurückverlangen und vom Sponsoringvertrag zurücktreten oder diesen kündigen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Die Höhe eventueller Rückforderungen und das Vorliegen eines wichtigen Grundes sind einzelfallabhängig zu ermitteln. Grundsätzlich ist zunächst das entscheidend, was die Parteien vertraglich miteinander vereinbart haben. Nur wenn vertragliche Regelungen fehlen, unvollständig oder zu wenig detailliert sind, kommen die eben dargestellten gesetzlichen Bestimmungen zum Tragen.
In vielen Sponsoringverträgen finden sich Force-Majeure-Klauseln. Diese enthalten regelmäßig individuell zwischen den Parteien vereinbarte Vertragsmodalitäten für den Eintritt unabwendbarer Ereignisse („höhere Gewalt“). Unter höherer Gewalt ist, auch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, ein von außen kommendes, keinen betrieblichen Zusammenhang aufweisendes, auch durch äußerste Sorgfalt nicht zu vermeidendes Ereignis zu verstehen, das den Sphären der Vertragsparteien nicht zugeordnet werden kann. Ob eine Corona-bedingte Verletzung vertraglicher Leistungspflichten einen solchen Fall höherer Gewalt darstellt, ist naturgemäß noch nicht höchstrichterlich entschieden, viele Argumente sprechen aber grundsätzlich dafür. Wie meist in der Juristerei, kommt es auch hier maßgeblich auf die Umstände des Einzelfalls an. Zu beachten ist dabei zum Einen, worauf sich die Sponsoringleistung bezieht und wo der Schwerpunkt der Leistungen liegt, zum Anderen, ob vertraglich bestimmte Garantien oder Bedingungen wie beispielsweise Leistungszeiten vereinbart wurden, ob Fälle höherer Gewalt ausdrücklich definiert wurden und welche Informations- und Mitwirkungspflichten der Parteien im Zusammenhang mit dem möglichen Eintreten eines Leistungshindernisses bestehen. Kommt man zu dem Ergebnis, dass höhere Gewalt vorliegt, scheiden Schadensersatzansprüche aus.
Marcel Cordes, Partner der Beratungsagentur SPORTHEADS ergänzt:
Der zweite wesentliche Aspekt neben der Beurteilung der rechtlichen Situation betrifft die Minderleistung bzw. die Höhe des Schadens und ggf. deren Kompensation. Moderne Sponsoringverträge beinhalten in der Regel, aber nicht immer, klare Kataloge von Leistung und Gegenleistung. Besonders in der Definition werblicher Rechte sind leistungsabhängige Komponenten, die sich auf Tabellensituation, Auf- und Abstieg und Qualifikation für z.B. internationale Wettbewerbe beziehen, gängiger Standard. Bonus-/Malus-Klauseln anhand der medialen Sponsorensichtbarkeit, der erzielten Reichweite oder des generierten Werbeäquivalenzwertes (AVE) sind nicht nur in Naming Right-Verträgen häufig zu beobachten.
Zur Beurteilung einer Minderleistung ist es im ersten Schritt wichtig, die verschiedenen Vertragsbestandteile und Leistungszusagen nach Möglichkeit zu differenzieren und nach ihrem Wertbeitrag einzeln zu betrachten. Nur auf diese Weise lassen sich die Bereiche identifizieren, in denen die vollständige Leistungserbringung aufgrund der Corona-Krise unmöglich erscheint (z.B. Public Tickets, VIP, nicht medienrelevante Werbeflächen im Stadion, Promotion, Stadion TV). In anderen Bereichen ist die Vertragserfüllung ggf. nicht im vereinbarten Zeitraum möglich, kann jedoch anhand der im Raum stehenden Szenarien noch erbracht werden (z.B. für die meist dominierenden medienrelevanten Werbeflächen).
Ausgangspunkt sind hierbei die vertraglichen Vereinbarungen: Sind für die medial wirksamen Bestandteile des Sponsoringvertrags mediale Performance-Werte vertraglich definiert – denkbar sind hier Klauseln zur Erreichung eines definierten TKPs (Tausender-Kontakt-Preis) als Verhältnis der auf die mediale Sichtbarkeit entfallende Sponsoringsumme geteilt durch erreichte Medienkontakte – wird die Berechnung erleichtert.
Ist vertraglich lediglich die Darstellung der medial sichtbaren Werbeflächen geschuldet – und dies wird der häufigste Fall sein – muss dies im Zusammenhang mit Klauseln zur Durchführung des Spielbetriebs betrachtet werden.
Ob der Spielplan zum Abschluss der Saison 19/20 nun letztlich zu einer Mehr- oder Minderleistung der medialen Performance führt, ist derzeit nicht abschließend zu beurteilen. Die rund 1,1 Mio. durchschnittlichen Stadionbesucher pro Spieltag werden bei Durchführung von Geisterspielen die Medienreichweite der Bundesliga und 2. Bundesliga signifikant erhöhen. Zur Berechnung der Kompensation sollte dieser Effekt Berücksichtigung finden und ein Referenzwert, z.B. aus der letzten Saison, zugrunde gelegt werden.
Ausblick, Empfehlung
Bei allen gesetzlichen und vertraglichen Möglichkeiten, sich von bestehenden, nicht erfüllten Verträgen zu lösen, Schadensersatzforderungen geltend zu machen oder Ausgleichszahlungen zu fordern, sollte jedoch immer das Ziel einer gemeinsamen, einvernehmlichen Lösung zwischen den Vertragsparteien im Vordergrund stehen, um den Boden für eine nachhaltige, vertrauensvolle und faire Zusammenarbeit für die Zeit nach der Corona-Krise zu ebnen.
Letztlich, und das zeigen Beispiele wie das in der Presse bereits positive konnotierte Verhalten der Sponsoren von Borussia Mönchengladbach, verstehen sich die meisten Sponsoren und Partner eines Clubs als Teil der Community und profitieren ggf. besonders in der Krise von einem positiven Imagegewinn. Gleichzeitig sollten die Parteien Klarheit schaffen, welche Handlungsoptionen im vertragsrechtlichen Sinne bestehen und wie ein möglicher Schaden berechnet und ggf. kompensiert werden kann.
In jedem Fall werden Sponsoren und Vermarktungsagenturen darüber nachdenken, künftige Verträge um eine vertragliche Regelung zur Thematik „höhere Gewalt“ zu ergänzen und dabei auf eine Formulierung zu achten, die auch Leistungshindernisse in Fällen von Epidemien / Pandemien / Seuchen miterfasst.
SPORTHEADS unterstützt Sie gerne kompetent in allen Fragen rund das Thema Sponsoring. Sprechen Sie uns an!