Der Arbeitsmarkt im Sportbusiness verändert sich nicht erst seit dem Beginn der Corona-Krise. Im Interview mit der Fachzeitschrift SPONSORs gehen Marc Mayer-Vorfelder, Gründer und Managing Partner der Personal- und Strategieberatung Sportheads und Johannes Jäger, Senior Consultant bei Sportheads, auf die für Arbeitgeber und –nehmer gleichermaßen wichtigen Entwicklungen ein.
SPONSORs: Herr Mayer-Vorfelder, Herr Jäger, die Anforderungen an Mitarbeiter im Sportbusiness ändern sich laufend. Welche Fähigkeiten sind in Corona-Zeiten besonders gefragt?
Mayer-Vorfelder: Durch die digitale Transformation und eine steigende Komplexität und Interdisziplinarität im Sportbusiness unterliegen die Anforderungen an Mitarbeitende schon seit längerer Zeit einem Wandel. Die Auswirkungen der Pandemie haben diese Entwicklung nun noch einmal verstärkt. Neben den ohnehin relevanten Anforderungen – beispielsweise im Hinblick auf Netzwerk- und Teamkompetenzen oder kommunikative und analytische Fähigkeiten – erfordert die Pandemie vor allem ein hohes Maß an Problemlösungskompetenz, Kreativität, Resilienz und Belastbarkeit sowie Agilität.
SPONSORs: Können Sie ein Beispiel nennen?
Mayer-Vorfelder: Die veränderten Rahmenbedingungen hinsichtlich elementarer Erlösquellen im Profisport erfordern ein fundamentales Umdenken und kreative Ansätze für alternative Erlösmodelle, Kosteneinsparungen oder Effizienzsteigerungen. In Krisen, die rasche Anpassungen notwendig machen, ist es wie in diesem Beispiel auch von Vorteil, wenn man als Organisation agil aufgestellt ist und man neue Herausforderungen in heterogen zusammengestellten Teams angeht.
SPONSORs: Stimmen Sie vor diesem Hintergrund zu, dass eine Spezialisierung immer wichtiger wird, es also eine Tendenz „vom Generalisten zum Spezialisten“ gibt?
Mayer-Vorfelder: Überspitzt könnte man sagen: Wenn man immer mehr über immer weniger weiß, dann weiß man irgendwann alles über nichts. Aufgrund der steigenden Komplexität ist diese Entwicklung trotzdem unerlässlich. Man sollte es als Experte aber nicht übertreiben und auch das große Ganze im Blick behalten. Die Nachfrage bei unseren Kunden nach Spezialisten aus anderen Branchen wächst. Über diesen Weg gewinnt das Sportbusiness wertvolles Know-How von extern für die Professionalisierung und die Weiterentwicklung der Branche. Das kann aber nur in einem Zusammenspiel von erfahrenen Sportbusiness-Generalisten und -Spezialisten gelingen.
Jäger: Insbesondere im digitalen Bereich wird eine Spezialisierung immer wichtiger. Es wird künftig sicher nicht mehr ausreichen, ein „Digital Native“ zu sein und mit Plattformen wie Instagram, Facebook und Youtube aufgewachsen zu sein, um das digitale Geschäft eines Profisportclubs weiterzuentwickeln.
SPONSORs: Müssen sich also auch Führungskräfte im Sport spezialisieren?
Mayer-Vorfelder: Führungskräfte müssen insbesondere immer über die entsprechende Adlerperspektive und Weitsicht sowie ein hohes Maß an Kompetenzen im Bereich General Management verfügen, um Spezialisten unterschiedlicher Fachbereiche führen zu können. Als Führungskraft hat man bestenfalls Mitarbeitende unter sich, die in ihren Fachgebieten jeweils kompetenter sind, als man es selbst ist. Demnach wird das Anforderungsprofil häufig inhaltlich generalistischer, je höher man im Organigramm angesiedelt ist.
SPONSORs: Finden sich die veränderten Anforderungen im Berufsumfeld auch in der Ausbildung wieder?
Jäger: In den letzten Jahren wurden immer mehr Studiengänge und Weiterbildungen für eine Karriere im Sportbusiness angeboten. Meist ist die Ausbildung selbst jedoch sehr allgemein gehalten, was zwar ein gutes Fundament ist, aber nicht zwangsläufig auf das Berufsleben im Sportbusiness vorbereitet. Spätestens im Master sollte eine stärkere Spezialisierung erfolgen. Absolventinnen und Absolventen können nicht exzellente Fähigkeiten in Finanzen, Personal, Steuern und Recht besitzen und gleichzeitig die Themen Vermarktung, Internationalisierung, Digitalisierung und eSport perfekt beherrschen.
SPONSORs: Gibt es hierfür schon konkrete Angebote?
Jäger: Erste Hochschulen bieten zum Beispiel einen Master in Sporttechnologie oder Zertifikate für Spielanalyse & Scouting an. Hier ist aber auch die grundsätzliche Erwartungshaltung eines Universitätsabschlusses für eine Tätigkeit im Sportbusiness kritisch zu hinterfragen. Ein Bachelor oder Master of Science bereitet grundsätzlich auf eine wissenschaftliche Laufbahn vor und schafft nicht zwangsläufig die Basis, um den nächsten Spitzenmanager im Sportbusiness hervorzubringen. Hier könnten künftig auch vermehrt duale Bildungswege wichtiger werden, die eine frühe berufliche Spezialisierung und Praxiserfahrung mit der wertvollen wissenschaftlichen Betrachtungsweise kombinieren.
SPONSORs: Welche weiteren Trends erwarten Sie hier in den kommenden Jahren?
Mayer-Vorfelder: Für angehende Führungskräfte wird vor allem das Modell des lebenslangen Lernens an Bedeutung gewinnen. Inhaltlich wird neben dem Fokus auf die Digitalisierung und einer stärkeren Vernetzung und Internationalisierung der unterschiedlichen Arbeitsbereiche im Sportbusiness und der damit verbundenen Organisationsentwicklung dem Bereich Nachhaltigkeit eine noch größere Bedeutung zukommen. Nicht nur im Hinblick auf ökologische Nachhaltigkeit und Umweltschutz, sondern auch in Bezug auf wirtschaftliche und soziale Nachhaltigkeit. Die Corona-Pandemie hat diesen Prozess beschleunigt, aber nicht ausgelöst.
Jäger: Auch das Studien- und Weiterbildungsangebot sollte sich in diese Richtung bewegen und Themen wie Internationalisierung, digitale Transformation, Leadership oder Entrepreneurship auch im Hinblick auf eine wirtschaftliche und gesellschaftliche Zukunftsfähigkeit hinterfragen. Immer wichtiger werden auch die studiengenbegleitenden Tätigkeiten der Studierenden. Eine angehende Sponsoring-Managerin tut gut daran, im Studium bereits Praktika oder Auslandserfahrungen auf Club-, Unternehmens- und Agenturseite zu sammeln, um unterschiedliche Perspektiven kennen zu lernen und bestmöglich für das Berufsleben vorbereitet zu sein.
SPONSORs: Technologien spielen im Sport eine immer größere Rolle. Welchen Einfluss hat dies auf den Arbeitsmarkt im Sportbusiness?
Mayer-Vorfelder: Insbesondere für die digitale Transformation werden zunehmend Expertinnen und Experten aus anderen Branchen hinzugezogen, um Organisationen im Sportbusiness zukunftsgerecht aufzustellen. Wo der sportliche Bereich in den letzten Jahren wichtige Schritte gegangen ist und zum Beispiel in der Spiel- und Leistungsanalyse, im Scouting oder in der Trainingssteuerung wichtige Innovationen vorangetrieben hat, besteht im kaufmännischen Bereich häufig noch Handlungsbedarf.
Jäger: In den Schnittstellen-Themen von Künstlicher Intelligenz (KI), Business Intelligence, People Intelligence oder IoT (Internet of Things) werden Spezialisten künftig nicht aus dem Sportbusiness kommen, sondern vermehrt von Firmen wie Microsoft, Amazon, Salesforce, Oracle oder Google. Wir empfehlen daher vielen jüngeren Sportbusiness Managern bewusst für ein paar Jahre zu einem digitalen Unternehmen zu wechseln, mit dem Ziel das eigene berufliche Profil für das Sportbusiness aufzuwerten.
SPONSORs: Lange Zeit hat man nicht nur im Sport vom „War for Talents“ gesprochen. Könnte die Corona-Krise für ein Ende dieses Konkurrenzkampfes sorgen?
Mayer-Vorfelder: Im Sportbusiness war dieser Konkurrenzkampf in der Vergangenheit ohnehin weniger ausgeprägt als in anderen Branchen. Das liegt unter anderem an der Anziehungskraft des Sports. Allerdings hat sich das über die letzten Jahre langsam verändert, weil man erkannt hat, dass man mehr Spezialisten benötigt und dass man, um die besten zu bekommen, mit Top-Arbeitgebern aus anderen Branchen in Konkurrenz steht. Der „War for Talents“ wird im digitalen Bereich mittel- und langfristig voraussichtlich auch nicht nachlassen. Zumindest kurz- und mittelfristig verändert sich aber durch die Corona-Krise der „War for Talents“ in vielen Bereichen zu einem „War of Talents“.
Jäger: Diese Entwicklung wird durch mehrere Faktoren begünstigt. Zunächst haben und werden durch Budgetkürzungen im Zuge der Pandemie nicht wenige Mitarbeitende und teils auch Führungskräfte ihre Unternehmen verlassen. Zudem nehmen wir wahr, dass viele Menschen die Corona-Krise genutzt haben, um sich die Sinnfrage zu stellen und mit neuen beruflichen Herausforderungen zu beschäftigen. Hinzu kommt insbesondere im Sport-, Event- und Kulturbereich eine Vielzahl an qualifizierten Freelancern, die sich größere berufliche Sicherheiten und den Wechsel in eine Festanstellung wünschen. All diese Faktoren führen zu einem hohen Angebot an hochqualifizierten Mitarbeitern, die um ein schrumpfendes Angebot an interessanten Positionen konkurrieren.
Mayer-Vorfelder: Vor diesem Hintergrund haben Arbeitgeber dann bei Stellenbesetzungen des Öfteren die Qual der Wahl. Das ist im Sport nicht ungewöhnlich und man sollte es als Chance sehen und professionelle Auswahl- und Eignungsverfahren anwenden.
SPONSORs: Meine Herren, vielen Dank für das Gespräch.