Sponsoring/ROI/Medienanalyse – Ein Spiel mit großen Zahlen

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Kaum eine andere Werbeform hat in den letzten Jahren auch nur annähernd die Entwicklung von Sponsoring erreichen können. Hierbei liefert besonders der Spitzensport Sponsoren und Partnern eine emotionale und reichweitenstarke Werbe- und Kommunikationsplattform. Da Sponsoren letztlich „Huckepack“ reiten, profitieren sie von der weiterhin steigenden Gesamtreichweite und Interaktion. Der Sportfan sucht und findet den für ihn relevanten Content – letztlich egal auf welchem Kanal.

Den Sponsoren und Partnern bietet sich zunehmend durch eigenes Content Marketing und Storytelling eine umfangreiche Toolbox, die Wirkung der an sich relativ aussagelosen Darstellung der Marke zu aktivieren und zu boosten.

Die Bewertung einer Sponsoringplattform und KPIs zur Bemessung des Return on Sponsorship Investments (ROSI) orientieren sich zumeist an einer Kombination aus medialer Reichweite/Werbeleistung und der Bemessung weiterer wertstiftender Elemente aus dem Sponsoringvertrag. Während Vermarkter noch immer argumentativ auf den Werbeäquivalenzwert eines Sponsorings abzielen, nutzen Sponsoren zunehmend KPIs, die den Return on Objectives (ROO) quantifizieren.   

Die zentrale Rolle der Medienanalyse im Sponsoring bröckelt allerdings nicht nur an dieser Stelle. Seit Jahren erodieren die Preise für Medienanalyse im Sponsoring, trotz massiv steigender Anforderungen durch die fragmentierte Medienlandschaft, OTT-Kanäle und Social Media. Das Ziel, ein möglichst umfassendes Bild der erzielten Reichweite und werblichen Kontakte für Sponsoren zu zeichnen und damit einen wesentlichen Baustein für die Bewertung zu liefern, verliert ganz offensichtlich an Relevanz.

Anbieter Medienanalyse

Was tun die Anbieter, um in diesem extrem umkämpften Markt zu bestehen? Während z.B. Marktführer Nielsen Sports TV-Übertragungen aufwendig aufzeichnet und dem Preisdruck mit entsprechender Automatisierung der in Indien angesiedelten Produktion zu begegnen versucht (erst kürzlich wurde das auf Logoerkennung mittels AI/ML spezialisierte Unternehmen vBrand aus Israel akquiriert), schlagen manche Wettbewerber einen ganz anderen Weg ein.

Warum aufwendig Aufzeichnen, wenn man doch in der Programmzeitschrift lesen kann, wann, wo und wie lange ein Event im TV übertragen wird. Und nennt man dieses Vorgehen „Schedule Auditing“ dann klingt das auch gleich gewichtiger. Das hierbei schnell 20% und mehr der Reichweite in News und Sportmagazinen unbeachtet bleiben, liegt in der Natur der Sache.

Warum die Sichtbarkeit eines Sponsors in tatsächlichen Recordings analysieren, wenn man dies doch auf der Basis von kurzen YouTube Videos „hinreichend“ hochrechnen kann.

Und warum für die offiziell gemessenen TV-Sender die teuren Reichweiten einkaufen, wenn angeblich aufwendig hergestellte Schätzmodelle doch gute Ergebnisse liefern. Aber auch hier täuschen nette Namen wie „Audience Estimation Modell“ gerne über die tatsächliche Qualität hinweg. Alternativ wird gleich ganz auf Reichweiten verzichtet und lediglich der vom Sender ausgewiesene Brutto-Werbepreis als Grundlage der Bewertung verwendet – sofern gerade verfügbar.

Besonders ein Anbieter mit angelsächsischen Wurzeln drängt in den letzten Jahren mit aggressivem Pricing auf den kontinentaleuropäischen Markt. Leider geht hier ein modernes Layout der Reports nicht Hand in Hand mit methodischer Sorgfalt. Es gilt zuweilen:  Internetrecherche x Hochrechnung x Schätzwert = Werbeäquivalenzwert (AVE)

Fehlende Standards

Aufgrund fehlender Standards obliegt es zudem noch der Kreativität des Kunden, ein paar Rahmenparameter in der Analyse so zu setzen, dass ein hoher oder weniger hoher Werbeäquivalenzwert errechnet wird. Ob 20 Mio. oder 2 Mio. Werbeäquivalenz – solange man mit einfachen methodischen Hebeln die Bewertung eines Engagements um ein Vielfaches steigern kann, sind beide Zahlen im Zweifel nicht falsch – aber eben auch nicht richtig. Eine „Währung“ für Sponsoring ist selbst nach jahrelangen Bemühungen der entsprechenden Fachverbände in Deutschland in weiter Ferne. Ein kleiner Trost: international gesehen sind die Standards teilweise noch wesentlich dürftiger.

Legt man trotz korrekter Analyse zusätzlich noch eine Qualitätsgewichtung für Sponsoringsichtbarkeiten wie den QI von Nielsen Sports an, deren recht komplexe Rechenmethodik anhand von fünf Kriterien nur Eingeweihten der Szene bekannt sein dürfte (QI = Quality Index, Abgewichtung des Brutto-Werbewerts um ca. 75%), so wird die Intransparenz und Vergleichbarkeit von Dienstleistern wie auch die Vergleichbarkeit mit anderen Gattungen, wie z.B. Public Relations, weiter künstlich erschwert.

Da die tatsächlich gezahlten Sponsoringsummen trotz Gewichtung meist nur ein Bruchteil des ausgewiesenen AVEs betragen, bekommt man letztlich den Eindruck, dass das Vielfache nur hoch genug sein muss, um weitere Fragen zu vermeiden. Die erfreulich positiven Trends im Jahresvergleich sind zudem bereits dem Umstand geschuldet, das Brutto-Werbepreise als Grundlage der Berechnung des AVEs dienen. Die steigen tatsächlich seit Jahren, während die tatsächlichen Nettowerte zumindest im klassischen TV kontinuierlich fallen; Stichwort Brutto-Netto-Schere.

Eine weitere große Herausforderung für alle Parteien ergibt sich durch die Verlagerung wesentlicher Sportrechte in OTT-Kanäle wie Magenta Sport, DAZN, Eurosport Player und Co – und wir stehen ganz sicher erst am Anfang dieser Entwicklung. Weder gibt es belastbare Reichweiten-Modelle nach dem Vorbild der AGF/GFK, noch werden entsprechende Daten überhaupt systematisch und plattformübergreifend erfasst. Für Sponsoring, dessen wichtigstes Verkaufsargument noch immer Reichweite mit emotionalem Anker ist, eigentlich ein unhaltbarer Zustand.

Digital / Social

Die DiPeC der Vereinigung Sponsoring-Anbieter (VSA) bietet für Websites, Apps, Newsletter und Social Media eine digitale Performance Card mit nachvollziehbarer Logik. Ein an sich sehr guter Vorstoß. Kritikpunkte ergeben sich darin, dass die Werbekennzahlen Reichweiten und Interaktionen trotz völlig unterschiedlicher Wertigkeit mit nur einem Sponsoring-TKP verrechnet werden. Zudem wird das heiße Eisen TKP und somit die Berechnungsgrundlage für die monetäre Bewertung erst gar nicht dargestellt.

Jüngst hat die Agentur Lobeco einen sehr guten und zielführenden Vorstoß zur Social Media Bewertung veröffentlicht. Mit dem klaren Fokus auf Cost per Engagement (CPE) und konkreten Vorschlägen für dessen Bemessung  wird dem Wildwuchs der Social Media Bewertungs-Metriken ein pragmatisches und nachvollziehbares Ende gesetzt. Dennoch bleibt auch hier noch ausreichend Raum für Diskussion. So weisen Plattformen wie Facebook und YouTube ihre Performance im Bewegtbild immer noch auf Basis höchst unterschiedlicher Methodiken aus. Zudem erfassen viele Social Media Analysten nicht die für das Sponsoring so wichtigen Bild- und Videopräsenzen der Sponsoren. Und nicht zuletzt wird der CPE von Facebook im aktuellen Ayzenberg Report mit umgerechnet € 1,63 bewertet, wohingegen Lobeco € 0,67 errechnet. Eine Abweichung in der Bewertung von immerhin 240%.

Ausblick

Nach meiner Ansicht ist und bleibt Sport-Sponsoring ein effektives und effizientes Instrument im Marketing Mix. Einige Rechte sind dabei meines Erachtens tendenziell noch unterbewertet. Die kritische Auseinandersetzung mit der Qualität, Methodik und den Kennzahlen der Medienanalyse kann nur helfen, belastbare Grundlagen für die Planung und Bewertung und letztlich dem Wettbewerb mit anderen Werbeformen zu schaffen.

Kunden von Medienanalysen sollten sich durchaus die Mühe machen, neben den kumulierten Werten stichprobenhaft Reichweiten und Sichtbarkeiten auf Plausibilität zu prüfen und kritisch zu hinterfragen, wenn hunderten Übertragungsschnipseln die gleiche Reichweite zugeordnet ist. Zudem sollte die Grundlage der Werbeäquivalenzwertberechnung (AVE) und zugrunde liegende Quellen offengelegt werden.

Einige Start-ups arbeiten bereits an preisgünstigen Apps, Sichtbarkeiten im Bewegtbild nahezu in Echtzeit auszuweisen. Im Zweifel hilft auch der Einsatz unabhängiger Spezialisten, Licht ins Dunkle zu bringen.

Und natürlich kann man keinen Maybach erwarten, wenn man nur für einen Mini bezahlt hat. Aufmerksamkeit lohnt sich in jedem Fall im Sinne der Glaubwürdigkeit, Transparenz und Relevanz der Daten.

Rechtehalter, Vermarkter und Verbände sind mehr denn je gefragt, klare Regeln und Qualitätsanforderungen auch im Sinne der interdisziplinären Vergleichbarkeit zu erarbeiten. Ein Gremium nach Vorbild der AGF mit entsprechenden Spezialisten würde dem Sportbusiness sicher guttun und die Glaubwürdigkeit und Relevanz der Medienanalyse sowie die Plan- und Messbarkeit im Sponsoring erheblich steigern. Zudem könnte dem methodischen Wildwuchs ein erfreuliches Ende gesetzt werden.

Der Autor

Marcel Cordes, Jahrgang 1965, geb. in Ottersberg (bei Bremen), 3 Kinder

Vita: Dipl. Sportwissenschaftler, Vorstand SPORT+MARKT AG, President Europe Repucom, Geschäftsleitung SetOne, General Manager der IPG Agentur FUTURES SE, Managing Partner SPORTHEADS GmbH